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33 Arpillera aus Renca

 

gestern

Arpillera aus Renca
Die Idee, die Themen von Wandteppichen politisch zu gestalten, geht auf Violeta Parra zurück. Arpilleras sind Wandbehänge, die während der Diktatur von Frauen aus den Armenvierteln Santiagos aus Stoffresten hergestellt wurden. Sie dienten den Frauen zum einen als Einnahmequelle, zum anderen wurden mit ihnen kritische Themen des Widerstands gegen die Militärdiktatur ausgedrückt. Am wichtigsten war aber, dass die Nähwerkstätten Räume zum gemeinsamen Austausch über Probleme, Leid und Not durch die Armut öffneten, in denen man Erfahrungen mit verhafteten, verschwundenen oder ermordeten Angehörigen teilen konnte.

heute

Die Arpillera mit der Aufschrift Renca stammt aus der Población (Armenviertel) Huamachuco, in der Aida Moreno verantwortlich war für viele soziale und politische Aktivitäten. Unter diesem link findet ihr weitere Infos zu dieser Form der widerständigen Handarbeit.

Arpillera, Widerstand und Musik

14 revolutionäre Hoffnungen

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Nach 1973 gab es große Hoffnungen vor allem bei der revolutionären Linken, die Militärdiktatur rasch vertreiben zu können. Man sammelte Geld für den Widerstand der linken Parteien und Organisationen. Der MIR, die Partei der revolutionären Linken, war nicht im Bündnis der Unidad Popular vertreten, unterstützte jedoch die Regierung und stellte die Leibwache des Präsidenten Salvador Allendes. Viele Studierende und junge Arbeiter*innen, auch aus christlichem Milieu waren im MIR organisiert. Den Repressionswellen zufolge wurde Angehörige des MIR als erstes von der Junta liquidiert und zahlten den höchsten Blutzoll an Folter, Gefangenschaft oder Verschwindenlassen.

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Auch wenn der MIR keine politische Rolle in der Linken mehr spielt, zählt er sich bis heute zum linksradikalen Flügel und präsentiert sich auf Demonstrationen. Nachfolgeorganisationen, die überwiegend in den Poblaciones , in den Armenvierteln Santiagos aktiv sind, stehen in der Tradition revolutionärer Politik und organisieren Proteste in den Wohnbezirken, oder stellten sich in die erste Reihe, in die Primera Linea während des Aufstands. Am 11. September gedenkt man der unzähligen Opfer auf dem Zentralfriedhof in Santiago, der zum Ort der Auseinandersetzung mit der Polizei, den Carabiñeros, wurde. Hier ist auch ihr Anführer und intellektueller Kopf Miguel Enriquez beerdigt, der 1974 erschossen wurde. Im Süden Chiles, in Neltume, erinnert ein Mahnmal an zwei Massaker an Miristen, 1973 und 1981
Das Mahnmal

13 Handarbeit

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Vielen Solidaritätsgruppen war die Durchführung ihrer Informations- und Kulturveranstaltungen in ihren Orten zum Alltag geworden, dass man vorgefertigte Plakatformate im typischen chilenischen Wandmalerei-Stil nur mit entsprechenden handschriftlichen Ankündigungen auszufüllen brauchte.

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Der künstlerische Ausdruck sozialer und politischer Proteste zeigt sich auch in den Studierendenbewegungen durch Graffities, pasteups,

Foto: B. Imholz

Skulpturen, Wandmalerei, so wie es die chilenische Linke schon immer gemacht hat. Musik und Bilder öffnen die Herzen der Menschen. Als während der Ausgangssperre wegen Corona jegliche Versammlung unmöglich war, spielte das Symphonie Orchester in Santiago vor geöffneten Fenstern , so dass man ihr Lied auf der Plaza de la Dignidad weithin hören könnte: El derecho de vivir en paz, ein Lied von Victor Jara, der 1973 im Stadion von Santiago ermordet worden war. Das Lied wurde zur Hymne des Aufstands und ging um die Welt, ebenso wie die Performance der Feministinnen „Lastesis“ aus Valparaiso, „El Violador en tu camino“, der Vergewaltiger auf deinem Weg. Der perro matapacos, der Hund, der Bullen tötet, war schon zum Maskottchen während der Studierendenproteste 2011 geworden. Es handelte sich um einen Straßenhund, der sich furchtlos gegen die Wasserwerfer mit Tränengas stellen wollte. Er wurde vielfach nachgebildet im Estallido 2019 und wurde zum Symbol der Bewegung. Auch andere populäre Figuren wie Tía Pikachú fanden ihren Weg in die Proteste und wurde zu Lieblingen der Straße.

11 Der Kongress 1983

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Aus Anlass des 10. Jahrestags des Militärputsches organisierte der Initiativkreis Chile einen internationalen Kongress im Juni in Münster. Bei der Vorbereitung arbeiteten die Organisationen der chilenischen Linken, der Parteien im Exil und der Gewerkschaftsorganisation CUT sowie der deutschen Solidaritätsbewegung zusammen. Es gelang die mitunter schwierige Aufgabe, die gesamte chilenische Linke an der Mitarbeit zu beteiligen, und die Witwe Salvador Allendes, Hortensia Bussi de Allende für die Eröffnung zu gewinnen. Heinz Oskar Vetter, der damalige Vorsitzende des DGB und SPD Abgeordnete im Europa Parlament, hielt die Eröffnungsrede. Der Kongress war mit 1500 Teilnehmenden ein Spiegel der Solidaritätsbewegung, die nochmal einen Aufschwung erlebte durch Proteste in Chile im Sommer 1983. Daran knüpfte auch eine Kritik aus linksradikalen Kreisen sowohl am Kongress als auch an der Ausrichtung der Solidaritätsbewegung insgesamt an. Zu stark sei die Politik der UP und ihrer Parteien ins Zentrum gestellt. Die Proteste im Sommer hätten einen neuen Akteur zum Vorschein gebracht, der viel zu wenig Beachtung in der Reflexion des Widerstands gefunden hätte, die Pobladores, die Bewohner der Armenviertel. Die damaligen Probleme der Opposition und Perspektiven für die Zukunft hätten zu wenig Raum bekommen. Aus heutiger Perspektive eine kluge Beobachtung, denn die tiefgehende neoliberale Umstrukturierung der chilenischen Gesellschaft hatte nicht nur das gesamte System verändert, sondern auch die politischen Subjekte geprägt. Nur so ist es zu erklären, dass das Plebiszit zugunsten eines Regimewechsels 1989, die Kampagne für das NO, nur 56% der Stimmen erreichte, und das auch nur unter massiven Anstrengungen.

10 Fußball

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Im Juni 1974 fand in der BRD die Fußballweltmeisterschaft statt. Die chilenische Mannschaft konnte sich qualifizieren, nachdem sich die sowjetische Mannschaft nach einem 0:0 beim Qualifikationsspiel in Moskau geweigert hatte, das Rückspiel im Nationalstadion in Santiago, das von der Junta als Folterzentrum genutzt wurde, durchzuführen. Daraufhin wurde die SU von der FIFA disqualifiziert. Während des Spiels BRD-Chile breiteten an die 800 DemonstrantInnen auf den Rängen riesige Transparente „Chile Si – Junta No“ aus. Während des Spiels Australien-Chile gelang es DemonstrantInnen mit einer riesigen chilenischen Fahne „Chile Socialista“ auf das Spielfeld zu stürmen. Aufgrund des Überraschungseffektes gelangte dies direkt auf die Bildschirme in Chile bis in die Gefängnisse der politischen Gefangenen.

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Fußball spielt wie in allen Ländern Südamerikas eine bedeutende Rolle. Die Zugehörigkeit zu einem der

Foto: B. Imholz

rivalisierenden Clubs in Santiago, entweder Colo Colo oder Universidad Catolica-Fan zu sein, ist vergleichbar mit Bayern München oder Borussia Fan bei uns zu sein. Ihre Unterstützung für die Anliegen der Protestierenden 2019 hatte Folgen. Zum ersten Mal seit dem Ende der Militärdiktatur konnte man am 11. September 2022 nicht nur die dort eingerichtete Gedenkstätte besuchen, sondern auch das Fußballfeld betreten. Dies war auch der Tatsache geschuldet, dass tausende von überwiegend jungen Menschen diesen Ort aufsuchten, um der Opfer und des Leids zu gedenken. Das Stadion hatte drei Monate lang nach dem Putsch als Konzentrations- und Folterlager der Militärschergen gedient. Ein Teil der Tribüne sowie der unterirdischen Gänge ist zu besichtigen und dient der historischen Erinnerung. Am 11. September 2022 kamen Zeitzeugen, Männer, die in „ihren“ Zellen über ihre Erfahrungen berichteten.

9 Bundesweite Demo

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Bundesweite Demonstration 5.September o.J. (1986?)
Aufgerufen hatte die demokratische Volksbewegung Chiles, die MDP, ein Zusammenschluss von Sozialistischer Partei (Fraktion Almeyda), Kommunistischer Partei, der Partei der revolutionären Linken und Fraktionen der Christlichen Linken u.a. von 1983 bis 1987
Die Liste der Unterstützergruppen repräsentierte das breite Spektrum, das in den 80er Jahren den Widerstand in Chile unterstützte und dafür bei uns Mitstreiter*nnen und Öffentlichkeit gewinnen wollte.

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8 Murallas

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Vereinigung internationaler Kulturaustausch Stuttgart 1975
Die „murallas“ waren als künstlerischer Ausdruck für politische Themen, in der Diktatur als Ausdruck von Protest und Widerstand, über die Solidaritätsbewegung auch in die BRD gelangt. Wer etwas über das Schiksal dieses Wndbildes, das in Frankfurt entstanden ist, wissen möchte, kann auf Mastodon mehr erfahren:
Lost space: Fachbereich Sozialarbeit

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Der künstlerische Ausdruck sozialer und politischer Proteste zeigt sich auch in den Studierendenbewegungen durch Graffities, pasteups, Skulpturen, Wandmalerei, so wie es die chilenische Linke schon immer gemacht hat. Musik und Bilder öffnen die Herzen der Menschen. Der perro matapacos , der Hund, der Bullen tötet, war schon zum Maskottchen während der Studierendenproteste 2011 geworden. Es handelte sich um einen Straßenhund, der sich furchtlos gegen die Wasserwerfer mit Tränengas stellen wollte. Er wurde vielfach nachgebildet im Estallido.

www.fresiasaldias.cl

2019 und wurde zum Symbol der Bewegung. Auch andere populäre Figuren wie Tía Pikachú fanden ihren Weg in die Proteste und wurde zu Lieblingen der Straße.

Das „R“

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Das „R“ kennzeichnet bis heute Aktionen des MIR oder der radikalen Linken
Frauen waren genauso stark in der Unidad Popular aktiv wie Männer, in den Parteien, in den studentischen Gruppen usw. In allen Parteien gab es Frauenorganisationen und entsprechend Opfer des Terrors der Militärs. Die Geschichte ihrer speziellen Folter und Verfolgung, indem man brutalste Zwangsabtreibungen vornahm, Neugeborene zur Adoption wegnahm, von Vergewaltigungen der perversesten Art – gelernt in den „Schools of America“ in den USA ganz zu schweigen, ist noch nicht vollständig aufgearbeitet.
Ebenso waren Frauen im Widerstand nach 1973 bis 1989 aktiv und wurden Opfer der Verfolgung durch die Junta. Dies spiegelte sich im Exil wider, indem von Anfang an die jeweiligen Frauenorganisationen der Parteien speziell darauf gerichtete Solidaritätsveranstaltungen durchführten. Auf dem Plakat erscheint Sergio Vesely, der bis heute als Sänger in Stuttgart lebt und arbeitet. Als 24jähriger war er als politischer Flüchtlinge nach Deutschland gekommen.

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Foto: Fresia Saldias

 

 

 

 

 

 

 

6 Frauen Widerstand

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Frauen waren genauso stark in der Unidad Popular aktiv wie Männer, in den Parteien, in den studentischen Gruppen usw. In allen Parteien gab es Frauenorganisationen und entsprechend Opfer des Terrors der Militärs. Die Geschichte ihrer speziellen Folter und Verfolgung, indem man brutalste Zwangsabtreibungen vornahm, Neugeborene zur Adoption wegnahm, von Vergewaltigungen der perversesten Art – gelernt in den „Schools of America“ in den USA -, ist noch nicht vollständig aufgearbeitet.
Ebenso waren Frauen im Widerstand nach 1973 bis 1989 aktiv und wurden Opfer der Verfolgung durch die Junta. Dies spiegelte sich im Exil wider, indem von Anfang an die jeweiligen Frauenorganisationen der Parteien speziell darauf gerichtete Solidaritätsveranstaltungen durchführten.

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Schon vor dem Aufstand 2019 machte die chilenische

Foto: Natalina Espina

Frauenbewegung am 8. März auf sich aufmerksam, als hunderttausende Frauen sich in den Straßen Santiagos versammelten. Auch für die Coordinadora 8 M, Koordination 8.März, kam dies überraschend. Und eine Performance von Frauen aus Valparaiso ging um die Welt: Lastesis: „un violador en tu camino“, ein Vergewaltiger auf deinem Weg, womit sie auf die strukturelle Gewalt des Staates als patriarchales Machtinstrument und seine Gewaltausübung auf Frauen aufmerksam machten.

5 1987 Año Internacional de la Vivienda para las personas sin Hogar

gestern

 

CUP Comando unitario de Pobladores:
Poner una bandera
una ventana
un retrato de familia
unos niños, unos perros
y llamarle casa

1987 Internationales Jahr der Wohnung für Menschen ohne Zuhause: CUP – Vereintes Kommando der Bewohner der Armenvierteln

 

Eine Fahne aufhängen
ein Fenster
ein Familienfoto
Kinder, Hunde
und nenne es „Zuhause“

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Traten die Bewohner*innen der Poblaciones seit 1983 als politischer Akteur in Erscheinung, spielten sie seither eine entscheidende Rolle im Widerstand gegen die Diktatur. Hatten sie sich dann von den demokratischen Regierungen nach 1990 eine Verbesserung ihrer sozialen Lage erhofft, mussten sie

Foto: B. Imholz

nun feststellen, dass die Versprechen des Neoliberalismus, am Kuchen des Wohlstands teilhaben zu können, eine Luftnummer gewesen war. Stattdessen besitzen sie nun diverse Kreditkarten und sind mit ihren Schulden wie Sklaven an ihre schlecht bezahlten Jobs gefesselt. Im Aufstand 2019 hatten die Pobladores selbstbewusst ihren Platz auf der Straße gefunden, der ihnen dann nach der verlorenen Abstimmung 2022 wieder von der politischen Klasse genommen wurde. Luisa Toledo war eine von ihnen, die in einer christlichen Basisgemeinde nie aufgehört hat in der Menschenrechtsbewegung, für Gerechtigkeit und soziale Gleichheit zu kämpfen. Drei ihrer Söhne, die im MIR organisiert waren, wurden von Militärs in den 80er Jahren als „Terroristen“ extralegal hingerichtet. Sie starb im Juli 2021. Ihr Bild ist auf chilenischen Straßen durch Plakate, Graffities u.a. präsent.