Plakate gegen das Vergessen – Diktatur und Wderstand. Solidarität mit Chile 1973-1990

Der Militärputsch 1973

Mit dieser Plakatausstellung möchten wir erinnern. Wir möchten erinnern an den Militärputsch in Chile, der sich am 11. September zum 50. Mal jährt, und dessen Wunden bis heute nicht geheilt sind. Und wir möchten erinnern an eine außergewöhnlich kraftvolle, kreative und leidenschaftliche Solidaritätsbewegung. Die hier versammelten Plakate der Chile-Solidaritätsbewegung von 1974 bis 1989 legen anschaulich Zeugnis davon ab, wie sich die hiesige Linke bis weit in christliche und bürgerliche Kreise hinein über alle politischen Differenzen hinweg hinter die Opfer der Militärdiktatur und hinter ihren Widerstand sowohl im Land selbst als auch im Exil stellte. Die Themen der Plakate geben uns Einblick in die Diskussionen und den damaligen Ansatz politischer Bewegung. Damit sind sie auch ein Spiegel der bundesdeutschen Linken der 70er Jahre, aber darüber hinaus geben sie Einblick in internationalistische Solidaritätsarbeit in ihrem tiefsten Sinne. Die Anliegen der Verfolgten, der Exilierten, der Widerstandskämpfer*innen in Chile selbst waren identisch mit den Zielen der Engagierten hier bei uns. Dies erklärt den besonders politischen Charakter der Chile-Solidaritätsbewegung.

Der Aufstand 2019

Uns geht es aber nicht um ein nostalgisches Zurückblicken auf vergangene Zeiten, sondern darum, die tiefen Wurzeln sozialer Aufstände abzubilden. Die richtigen Ideen fallen nicht vom Himmel, sagte der französische Befreiungstheologe George Casalis. Die chilenische Aufbruchsbewegung der 50er und 60er Jahre, die im Sieg der Unidad Popular (UP) unter ihrem Präsidenten Salvador Allende 1970 ihren Höhepunkt fand, bildet bis heute bewusst oder unbewusst den Nährboden der Erinnerungskultur und der sozialen Proteste. Der Militärputsch 1973 zerstörte zwar das sozialistische Projekt auf brutale Weise, konnte aber die Erinnerung an diesen „Traum“ einer gerechten Gesellschaft nie tilgen. Mithilfe von Fotomaterial des Aufstands von 2019 und Demonstrationen im Herbst 2022, das von einer Website analog zu den Plakaten durch entsprechende QR Codes zugänglich gemacht wird, möchten wir den Betrachter*innen die Möglichkeit geben, sich auf die Zeitreisen zwischen den siebziger Jahren und heute zu begeben. Sehen Sie selbst!
Im Oktober 2019 explodierte die Unzufriedenheit der Menschen in einem Aufstand -Estallido-, der Millionen auf die Straße brachte. Eine „Erste Reihe“ bildete sich, die Primera Linia, die sich mutig der Polizeirepression entgegenstellte, um die großen Demonstrationen unbehelligt von Wasserwerfern und Tränengas durchführen zu können. Sie forderten ein Ende der neoliberalen Regierungen, des korrumpierten politischen Systems und der neoliberal kapitalistischen Wirtschaftsordnung, die die Menschen in freiwilliger Unterwerfung zu Sklaven kapitalistischer Verwertung gemacht hatten. Dieser Prozess mündete in eine gesellschaftliche Mobilisierung für eine neue Verfassung, da die alte Verfassung, in ihrer Grundstruktur noch aus Zeiten Pinochets, jegliche politische Veränderung geknebelt hatte. Die Abstimmung über diesen Verfassungsentwurf, der daraus hervorging, endete in einem Desaster und brachte, da sie abgelehnt wurde, eine schwere Niederlage für einen umfassenden gesellschaftlichen Aufbruch sowie die gesamte Linke mit sich.

Die Transparente auf der Straße, die Parolen, die Graffities an den Wänden sprechen eine eindeutige Sprache. Sie dokumentieren, dass den Menschen der Zusammenhang zwischen den Hintergründen des Militärputsches 1973 und der knallharten Implementierung neoliberaler Wirtschaftsstrukturen, wie es die Chicago Boys sich nur erträumen konnten, bewusst ist. Die UP und ihre Protagonist*innen mussten sterben, um keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, wer das Sagen hat. Die der Diktatur ab 1990 folgenden „demokratischen“ Regierungen beendeten faktisch die Menschenrechtsverletzungen großen Stils, aber sie brachten nicht die Freiheit hervor, die sich die Menschen erhofft hatten. Im Gegenteil, sie vertieften und perfektionierten das „neoliberale Modell“ und hatten vor allem kein Interesse, die Täter der Militärdiktatur zur Rechenschaft zu ziehen. Bis heute kämpfen die Menschenrechtsorganisationen gegen die Straflosigkeit – die Impunidad – an. So ist es nicht überraschend, in allen Ecken der sozialen Bewegungen auf die Spuren der UP, auf den Widerstand gegen die Militärs und die Erinnerung an die Opfer des Putsches zu treffen. „Kein Vergeben -kein Vergessen“ oder „Ohne Erinnerung – keine Zukunft“!
Wir danken besonders Fresia Saldías R. und dem engagierten Fotograph*innenteam aus Valparaíso/Chile, Galería Persiste, die uns ihren Ausstellungskatalog anlässlich des „Estallido“, des Aufstands im Oktober 2019 und dem folgenden Prozess, Chile eine neue Verfassung zu geben, zur Verfügung gestellt haben.

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Copyright aller Fotos liegen bei: Fresia Saldias; Natalia Espina; Cristobal Escobar; Sebastian Silva; Alex Utreras; Michael Ramminger; Barbara Imholz
Die Plakate stammen aus der Sammlung unserers Freundes Ulf Baumgärtner